ZitatOriginal erstellt von Paul-Gerhard Mosch
Hast Du mit Dr. med. Wulff Verbindung, da ich weiss, dass er für sich eigene Tabellen zur OP-Dosierung erarbeitet hat. In jedem Fall dürfte ein Austausch befruchtend sein. .
Nein, habe ich nicht.
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Leider schaue ich den Operateuren bei Ihrer Arbeit zu selten zu. Du weißt, dass mir im Bereich der MKH die kombinierte einäugige OP über alles geht. Bei der Faltung habe ich ein leichtes Gruseln, weil der Stumpf vernarbungstechnisch ein Eigenleben entwickeln kann, was uns in der MKH stört. Aber hier sollen sich besser die Spezies austauschen.
Seit November letzten Jahres, nachdem es mit den verschiedensten anderen Operateuren immer wieder Probleme gab, habe ich es nun selber in die Hand genommen. Ob meine Indikationen ein wirklicher Erfolg werden, bleibt abzuwarten. Bis jetzt liegt alles im Bereich postoperativ von 2 cm/m. Aber ich werde das weiter sehr genau im Auge behalten und die ganzen präoperativen Vorbereitungen und Indikationen und postoperativen Darstellungen sehr genau analysieren. Wie gesagt, bis jetzt bin ich noch zufrieden mit den Ergebnissen. Hoffentlich bleibt das so und ich werde von herben Rückschlägen verschont, obwohl die mich statistisch gesehen ereilen werden.
Was die Faltungen betrifft, da haben Sie schon recht. Aber Zyklodeviationen bekomme ich nun mal nicht anders korrigiert wenn dazu ein schräger Augenmuskel der Verursacher der Probleme ist.
Hier würde ich, wenn es überhaupt geht, nie die vollen gemessenen prismatischen Werte ordinieren, das Problem ist ja eigentlich keine Fixationsdisparation, wenn auch per MKH gemessen, sondern eine mechanische oder nervale Problematik. Eben weil Faltungen sehr schwierig zu dosieren sind und eben wieder ihre mechanischen Beeinträchtigungen bringen. Aber manchmal muss man eben Faltungen vornehmen. Um das zu umgehen lieber auf Beschwerdefreiheit bei großen Höhen mit Obliqui-Beteiligung prismatisch korrigieren und nicht auf Teufel komm raus die OP anstreben. Man kann nämlich den Teufel mit dem Bezelbub austreiben und kommt vom Regen in die Traufe.
Ich denke da einen Kollegen von Ihnen der 4 cm/m Höhe nicht ausreichend fand und nun 20cm/m Höhe in die Brille packte mit dem Resultat dass die Brille nach dem Aufsetzen die ersten drei Stunden, seit Wochen!!!, Doppelbilder verursacht und ohne geht es erst gar nicht mehr. Aber die Mutter dieser kleinen Patientin ist ja so zufrieden [meine fachliche Kompetenz ist scheinbar nicht sehr berauschend rübergekommen ;-)]. Ich bin es nicht und eigentlich würde ich dem Herrn Augenoptiker gern den Popo verhauen (Ich bin ein sehr friedliebender Mensch, aber wenn ich das erlebe, bekomme ich innerlich Schreikrämpfe!).
Oder das hier Patient hat Doppelbilder schwankend von Eso bis zu diversen Exo-Stellungen. Bekommt vom AO eine Prismenbrille mit den verschiedensten Werten, jedesmal auch mit subjektiv sehr zufriedenstellender Qualität. Ich will daran gar nicht mäkeln. Jedoch hat man das nicht (Doppelbilder) per Augenarzt vorher abklären lassen und die dezenten Stauungspapillen beidseits übersehen (Wenn wundert das? Mich nicht.). Patient kam nur, weil die Werte ständig und recht schnell schwankten und er verunsichert war. Gesichtsfeld o.B. Fundi bis auf die dezent verschwommenen Papillengrenzen fast unauffällig. Kleine Prominenz. Keine Abblassungen. Visus voll. MRT Tumor oberhalb des Chiasmas. Der Neurologe hat nun vor 2 Tagen operiert.
Das nur aus der jüngsten Vergangenheit, Herr Mosch.
Ich habe da noch mehr in petto.
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Das es sehr verschiedene Ansätze in der Betrachtung gibt, ist ja bekannt und inwieweit sich dieselben überlappen, aber auch ergänzen, ist sehr umstritten.
Ich stand der MKH von Anfang an sehr aufgeschlossen gegenüber und habe so manchen Augenoptikstudenten erst auf diesen Weg gebracht.
Aber, wie das nun mal so ist, Herr Mosch, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sind so vielfältig, dass sie eben nicht mit einer sonst wirklich sehr guten Methodik erfasst werden können.
Ich befasse mich eben nicht nur mit MKH sondern auch mit, für Sie möglicherweise, sehr profanen Dingen. Sehverschlechterung wegen Cataract oder Zentralvenenverschluß oder Aterienastverschluß oder Diabetes mellitus oder Glaukom, Netzhautgeschichten anderer coleur oder Erbkrankheiten etc.pp.
Meine große Vorliebe gilt aber den Kindern. Die haben in diesem, speziell geriatrisch ausgerichteten Fach, nicht sehr viele Fürsprecher. Möglicherweise rechnen Kinder sich nicht für viele Kollegen und machen dazu viel, viel Arbeit die niemals materiell annähernd honoriert wird.
Kinderophthalmologie ist mein heimliches Steckenpferd und Kinder mit Sehproblemem gehören dazu. Deswegen auch MKH als eine von vielen Möglichkeiten der Diagnostik.
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Deshalb freue ich mich über Deine Offenheit. Ich wünsche mir, dass sie Dir erhalten bleiben kann. Denn unser gemeinsames Klientel braucht unseren Erfahrungsaustausch.
Ich weiß. Ich habe ja auch keine Berührungsängste.
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Öffne ein neues Thema, damit wir oben stehendem Thema und Frager keine Gewalt antun. Ich würde mich freuen.
Das habe ich hiermit getan.
Da ich weiss, dass Sie mit Ihrem Einsatz für die Kinder bei Dr. Wulff auf offene Ohren stossen werden, sollten wir an dieser Stelle mal abwarten dürfen. Ich bin da sehr positiv!
Sie wissen es selber, wie häufig man in Sachen MKH zum Einzelkämpfer abgestempelt wird.
Da gibt es genügend Trittbrettfahrer, die mit fachlich ungenügendem Instrumentarium oder mit (althergebrachten) Methoden und Wegen der MKH mehr Schaden als Nutzen bringen.
MKH verlangt eben im Messraum, in der Auswahl von Glas und Fassung, in der Anfertigung, Kontrolle und Nachsorge immer die Grenze des Machbaren. Mittelmass ist hier fehl am Platz.
Das Dr. Wulff sich von Kollegen abschottet, ist nicht nur im medizinischen Bereich erfahrbar. Aber es hat für mich sehr nachvollziehbare Gründe.
Nun hoffe ich aber darauf, dass dieses Thema kein Austausch zwischen uns beiden bleibt!
Viele Grüße:
Paul-Gerhard Mosch (PGM)
In allen Grenzen ist auch etwas Positives.
Immanuel Kant
Punkt 1)
Ich stelle wieder mal fest, dass ich zwischen dem Internet üblichen "Du" und dem "Sie" springe. Ich versuche jetzt wieder beim persönlicheren "Du" zu bleiben.
Punkt 2)
Das Thema Winkelfehlsichtigkeit versus Strabismus sollte nicht nur zwischen uns beiden behandelt werden. Es ist zu wertvoll!
Viele Grüße:
Paul-Gerhard Mosch (PGM)
Original erstellt von Paul-Gerhard Mosch
In den News Groups ist das ja ein übliches Unterfangen, da ja diese aus dem ehemals studentischen Netz von eunet in Deutschland kam, das in den Foren fortgesetzt wird.
Seien Sie mir persönlich nicht böse wenn ich dem so nicht folgen möchte. Die Achtung vor der anderen Person zwingt mich mit meiner Erziehung regelrecht eine respektvolle Anrede zu verwenden. Ich bleibe fürders erst mal beim Sie. Sie müssen sich aber wegen mir keine Zwang antun und verfahren einfach wie Sie es gewohnt sind.
Bis jetzt sind nur wir zwei hier um darüber ein wenig zu "fachsimpeln". Vielleicht kommen ja noch andere Damen und Herren dazu. Herr Luckas hat ja da so was anklingen lassen. Schauen wir doch einfach, was da noch so kommt. Und ob überhaupt.
In allen Grenzen ist auch etwas Positives.
Immanuel Kant
Original erstellt von AgnesMaria
Hallo Agnes Maria,
ich habe für mich die Entscheidung getroffen, prismatische Verordnungen nur zu geben, wenn vorher augenärztlich untersucht wurde. Ich glaube aber, daß die meisten Kollegen, die sich intensiv mit der binokularen Korrektion befassen, das auch so handhaben. Damit genau das, was Du beschrieben hast, nicht passiert. Ich will kein Schmalspur -Augenarzt sein, dafür Augenoptiker mit ganzem Herzen.
Gruß
Eberhard
Viele Grüße
Eberhard
Original erstellt von Eberhard Luckas
Das finde ich die richtige Vorgehensweise. Wenn neurologisch oder ophthalmologisch alles in Ordnung ist und man keine weitere Ursachen der Beschwerden findet, dann kann die MKH vielleicht weiter helfen.
Was ist ein Schmalspur-Augenarzt für Sie, Herr Luckas?
Wenn ich könnte, würde ich Ihnen gerne mal einen Tag lang die Stationsarbeit zeigen damit Sie mal schmalspurigen Augenarztalltag miterleben können. Ich bin sicher, Sie werden danach anders darüber denken.
In allen Grenzen ist auch etwas Positives.
Immanuel Kant
Hallo Agnes-Maria,
mit dem Begriff meine ich, daß ich mir nicht anmaße, die Arbeit von Augenärzten zu machen und will damit keinesweg Augenärzte diffamieren.
Gruß
Eberhard
Viele Grüße
Eberhard
Original erstellt von Eberhard Luckas
Dann habe ich das völlig falsch verstanden. Ich dachte wirklich Sie finden die Arbeit von Augenärzten generell als schmalspurig weil es nur wenige gibt, die MKH kennen und anweden.
Seien Sie mir bitte deswegen nicht böse.
Ich hatte gerade die Freude und die Möglichkeit einem Kollegen vor seiner bald anstehenden Facharztprüfung Sehschulalltag mit MKH erleben zu lassen. Er war begeistert.
Wieder ein Befürworter unter auch anderen Assistenzärzten und ehemaligen die ich kenne. Er selber wird das (MKH) niemals tun. Er operiert dazu viel zu gern. Aber er wird ganz sicher nicht mehr die Ansichten eines bestimmten Prof's. ohne Hinterfragen einfach so akzeptieren. Und das ist auch ein Erfolg. So finde ich es jedenfalls.
Nein, die Arbeit eines Augenarztes umfasst ja nicht nur Refraktion. Er befasst sich vorzugsweise mit den Erkrankungen am und im Auge und ihrer Behandlung. Es ist viel, viel zu tun. Der Arbeitstag erstreckt sich häufig auf 12 Stunden und mehr. Keine Schmalspurtätigkeit. Bei weitem nicht.
In allen Grenzen ist auch etwas Positives.
Immanuel Kant
Eberhard Luckas schrieb
Nur als Egänzung Vor einigen Wochen hatte ich u.a. ein Konzil mit der Frage ob eine enokrine Orbitopathie vorliegt. Der Patient hatte Blickeinschränkungen nach oben, vertikale und horizontale Doppelbilder, Schilddrüsenprobleme seit Jahren und im B-Bild waren die Augenmuskeln verdickt. Ich diagnostizierte eine mechanische Beeinträchtigung wegen V.a. endokrine Orbitopahthie. Mein Kollege fand das irgendwie merkwürdig, auch wenn die Schichtbildaufnahmen der Obita per MRT nichts aufweisten und schickte wegen erhöhter Ca-Werte zum Inneren. Der wurde nicht mehr als der den Ultraschall durchführte. Ich hatte mich geirrt. Es war nicht endokrin primär. Es war aber metastatisch bedingt. Die mechanische Beeinträchtigung war korrekt. Es war so schlimm das der Patient heute wohl nicht mehr lebt. Das hat mich zweifeln lassen ob man überhaupt Medizin studieren sollte wenn man dann gar nicht helfen kann. Jede Intervension war in diesem Fall vergeblich. Es hat mich geschockt. Ein 5-jähriges Kind ist nun vermutlich Halbwaise. Auch das ist Alltag bei uns. Hier haben wir nun nicht mehr helfen können, was aber wenn derjenige seine Dopppelbildproblematik bei einem Augenoptiker versorgen läßt der nicht zum Augenarzt schickt deswegen und wertvolle Zeit verstreicht und es sind dann einem die Hände gebunden?
Ich habe das mehrfach erlebt und es macht einen nun nicht gerade glücklich. Können Sie das verstehen?
In allen Grenzen ist auch etwas Positives.
Immanuel Kant
Ich glaube schon, dass es Sinn macht, trotzdem Medizin zu studieren. Und ich glaube, man kann trotzdem helfen, zumindest ein bisschen lindern.
In der Sozialarbeit ist es auch ähnlich. In der Sozialpsychiatrie auch. Aber wenn es bei nur einer von Tausenden gelingt, ihr einmal im Leben einen Traum zu erfüllen (Landschaftsgärtnerei war ihr Traum, nach Rücksprache mit der behandelnden (mutigen) Ärztin bei einem HB kleiner 6) und sie jetzt so blutreich und glücklich zu sehen, dann entschädigt das für viele Tiefschläge.
Und ich fand immer, das ist das Tolle an der Augenheilkunde. Ein Katarakt-Patient der noch auf dem OP-Tisch liegt und feststellt, dass er auf einmal wieder sehen kann! Oder ein Kind, was von der Christoffel-Blindenmission betreut wird und wieder eine Chance hat. Es wäre schlimm, wenn dann niemand da wäre, der Medizin studiert hat.
Gott schenkt Dir das Gesicht. Lächeln musst Du selber!
Hallo Agnes Maria,
das verstehe ich sehr gut. Auch unter Medizinern herrscht ein Konkurenzkampf, der zu Lasten der Patienten geht. Ein Beispiel
An einer deutschen Uniklinik (welche, darf ich nicht sagen) gibt es eine Sehbehinderten-Ambulanz. Noch nicht einmal die Augenabteilung der Uniklinik verweist alle sehbehinderte Patienten an die eigene Ambulanz, wo ihnen oft doch noch geholfen wird, nach anfänglichen Aussagen des Erstuntersuchers Da kann man nichts mehr machen!
Aber zu der Problematik der Augenoptiker, die nicht zum Augenarzt verweisen
Nur die "Kollegen", die meinen, das Wissen gepachtet zu haben, sind so engstirnig, ohne medizinische Voruntersuchung prismatische Verordnungen durchzuführen. Das darf einfach nicht sein. Leider ist es aber auch so, daß gerade bei Kindern oft nur der Visus geprüft wird und wenn der bei beidseitig
100 % liegt, wird oft gesagt, es bestehe kein Handlungsbedarf.
Ich kann von mir behaupten, daß ich einen sehr guten Kontakt zu den Augenärzten meiner Umgebung pflege und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht irgendeine sofortig Untersuchung anrege, sei es bei Verdacht auf Glaucom, bei schlechtem Visus ohne erkennbaren Grund, beginnender Cataract u. e. m.
Viele Grüße
Eberhard
Ich wage mich an dieser STelle nochmal einzuklinken.
Das Beispiel von AgnesMaria macht mich schon den ganzen Tag nachdenklich.
Aus ihrer Sicht ist der Frust durchaus voll nachvollziehbar. Und die Frage, wenn man vorher ärztlich hätte intervenieren können, hätte man vielleicht helfen können, ist absolut berechtigt.
Aber ich denke immer aus der Sicht eines Betroffenen. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte die Wahl
1. ein Arzt findet Augenmuskelmetastasen und von da an weiß ich, dass meine Leben dem Ende zugeht.
2. Ich wäre statt dessen zu einem Optometristen gegangen oder auch, der Arzt hätte nicht so einen guten "Riecher" gehabt wie Agnes´ Kollege. Dann hätte ich eine verträgliche Korrektion bekommen und wäre eine Weile damit klar gekommen. Ich hätte noch ein paar unbeschwerte Tage /Wochen gehabt.
Ich glaube, ich würde die zweite Variante vorziehen. Die Zweite ist "Leben". Die erste heißt "Sterben". Und das wissen und auf Raten...
Ich will nichts gut sprechen und nicht urteilen darüber, wie das Beispiel verlaufen ist. Ich glaube aber, manches ist und bleibt einfach dem Schicksal überlassen. Da können wir noch so viel lernen, vermessen, durchleuchten, therapieren, referaktionieren, jeder in seinem Gebiet. Sterben müssen wir trotzdem und das "wann" und "wie" liegt nicht in unserer Hand. Und auch manch längst totgeweihter lebt noch.
Manchmal kann man nicht mehr heilen. Aber "lindern". Und das kann theroretisch jeder.
Mir fällt dazu ein anderes Beispiel ein.
Ich wurde vom Amtsgericht bestellt und bekam die Vormundschaft über eine alte Dame mit Blasen-CA. Anfangs war sie noch recht fit geistig und es gab ein gemeinsames Gespräch mit der urologischen Oberärztin. Hier hat die Patientin seinerzeit geäußert, dass sie keine lebensrettenden Maßnahmen wünscht und auch nicht mehr am Tumor operiert werden möchte. Sie wußte dass sie daran sterben würde.
Die Oberärztin hat mir erklärt, dass die Blasen-TU-Patienten meist friedlich sterben würden, da sie eintrüben und am eigenen Urin vergiften. Es war ihr ein Anliegen, mir das zu erklären, da ich diejenige war, die die Gesundheitssorge ohne Einwilligungsvorbehalt zugesprochen bekam.
Irgendwann war es soweit, dass das Heim die Verantwortung nicht mehr übernehmen wollte und die Frau kam erneut ins KRankenhaus auf eine Innere Station. Abends wurde ich angerufen, ich müsse nur noch unterschreiben kommen, sie würde morgen operiert.
Ich fuhr ins KH. Dort hatte man die inzwischen verwirrte Frau eine Einverständniserklärung unterschreiben lassen, Röhrchen in die Harnleiter legen zu lassen, damit der Urin wieder abfließen könne.
Frau Z. beantwortete alle Fragen mit einem Kopfnicken! Dabei war es egal ob ich gefragt habe Möchten Sie operiert werden? oder Möchten Sie nicht operiert werden?
Die Internisten lasen mir den Katalog der möglichen Komplikationen vor und wiesen mich darauf hin, dass das vermutlich gar nicht klappen würde und man dann wahrscheinlich durch den Rücken in die Nieren gehen müßte.
Frau Z. hatte zhu diesem Zeitpunkt bereits beginnende Decubiti und ich stellte sie mir vor, wie diese schwere, totkranke Frau sich auf Schläuchen weiter durchliegen würde. Dies wäre nicht das gewesen, was wir seinerzeit besprochen hatten.
Die Anästhesistin kam. Eine sehr nette Frau, die meine Bedenken voll verstanden hat und am Ende zu mir gesagt hat Es ist egal wie Sie entscheiden, Sie werden es richtig machen. Hier gibt es kein falsch oder richtig.
Dann kam der Urologe. Machte mir Druck, ich solle unterschreiben.
Ich habe es nicht getan. Die Oberärztin von seinerzeit war leider im Urlaub. Ein anderer Arzt der die Patienten kannte war nicht im Haus. Der Urologe sagte "Naja, wenn Sie meinen es sei angenehmer an einer Nierenkollik zu sterben".
Da stehst Du da und mußt entscheiden. Mit einem angebrochenem Medizinstudium, einem gerichtlichen Beschluß und der alleinigen Verantwortung.
Ich habe mich dagegen entschieden. Ich habe die Entlassung angeordnet, mit dem Heim gesprochen und mir vom Hausarzt das Versprechen eingeholt, dass sie soviel Morphium haben darf wie sie braucht, um keine Schmerzen zu haben.
Der Internist teilte mir am Morgen mit, wenn es seine Oma gewesen wäre, hätte er genauso entschieden.
Und ich habe "Buttermilch" angeordnet. Palliativ. Das einzige, womit man diese Frau glücklich machen konnte.
Sie starb 14 Tage später. Ruhig, sanft, zuhause, ohne Morphium, ohne Schmerzen. Als ich sie beim Bestatter gesehen habe, wußte ich dass ich es richtig gemacht habe...
Manchmal vielleicht doch "lindern statt heilen"? Im Sterben noch leben zu dürfen, das finde ich wichtig.
Warum schreibe ich das? Weil eben auch die Medizin ihre Grenzen hat, die Optometrie, die Kirche oder wer auch immer und am Ende nur der Mensch zählt...
Gott schenkt Dir das Gesicht. Lächeln musst Du selber!
KerstinEP schrieb
Es lag nicht nur am guten Riecher meines Kollegen. -(
Die Ursache war ein metastisierendes Mama-Ca. Doppelfaustgroß. Schon nekrodisierend. Nicht zu übersehen. Aber ein Augenarzt schaut da ja nicht hin. Die Oberbauchsonographie brachte den Durchbruch. Leber, Niere, Harnleiter, Gebärmutter voll davon. Die Augensymptomatik war hier nur untergeordnet. Einweisungsbefund Tumor am Oberlid. Das läßt mich jetzt noch schaudern. Die Tumoren waren am Hals und noch tiefer schon tastbar. Ich wäre nie darauf gekommen.
Auf die Frage seit wann Knoten in der Brust vorhanden ist war dann die Antwort "Seit gut 5 Jahren."
Warum man nicht deswegen zum Arzt ging? Die Psyche war Schuld. Da kann man nicht mehr als nur noch stumm den Kopf schütteln. Doppelbilder seit gut 6 Monaten. Ist ja normal.
Da konnte man nur noch palliativ helfen. Da ging nichts mehr zu machen. Die Patientin wusste genau wie es um Sie steht. Schon vorher. Sie hat verdrängt. Dabei hätte das niemals so ausgehen müssen.
Inzwischen sind 3 Monate vergangen und ich bin mir ziemlich sicher das alles vorbei ist. Da steht man da und kann einfach nichts mehr tun. Es war schon eine sehr schockierende Erfahrung.
Aber nicht umsonst nannte ich Doppelbilder und Prismenbrillen nicht von ungefähr. Auch wenn das speziell in diesem Fall nicht zutraf. Es kürzlich war ein Tumor im Chiasmabereich dafür verantwortlich und wurde von AO optisch-optometrisch versorgt. Leider kein Einzelfall. Meine Sorge ist deswegen nicht ganz unbegründet.
Ich denke, liebe Kerstin, Ihre Entscheidung für Fau Z. war m.E. richtig. In so einem betagten Alter, mit dieser Erkrankung und einer sehr schlechten Prognose hätte man der alten Dame mit der OP sicher nicht zu mehr Lebensqualität verhelfen können. Sie hat friedlich und ruhig Sterben dürfen.
In "meinem" Fall war es eine Frau um die 40 Jahre mit einem kleine Sohn von 5 Jahren. Das ist dann schon wieder etwas anderes. Man ist einfach machtlos und sieht die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit sehr deutlich.
In allen Grenzen ist auch etwas Positives.
Immanuel Kant