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Bild des Benutzers Björn Kol
Verbunden: 10. August 2024 - 14:19
Parese

Hallo zusammen,

 

unfallbedingt leide ich seit Ende April an einer einseitigen Trochlearisparese. Momentan trage ich eine Prismenfolie Stärke 3, Basis oben.

Ein bekanntes Krankenhaus verordnete mir die Folie auf dem gesunden Auge. Nun hat mir ein Mitglied des Forums gesagt, dass bei einer Parese die Folie auf dem betroffenen Auge gehört. 

Habt ihr Erfahrungen zum Thema?

Vielen Dank! 

 

Bild des Benutzers Meindl Hans Jörg
Verbunden: 23. April 2017 - 14:03

Hallo Björn,

Die Augenklinik hat richtig gehandelt.

Bei frischen Augenmuskelparesen wird der Prismenausgleich vor dem nicht paretischen Auge

vorgenommen. Die Prismen sollten allerdings regelmäßig auf die erforderliche Prismenstärke

überprüft werden.

 

Viele Grüße

Hans Jörg Meindl

Bild des Benutzers Björn Kol
Verbunden: 10. August 2024 - 14:19

Vielen Dank für die Rückmeldung Hans Jörg. Die Klinik und auch ein pensionierter Augenoptiker sagen, dass man eine Parese nicht voll korrigiert. Nach MKH wären es eigentlich mehr ( so zwischen 6-7 aktuell), mit der 3 er Folie komme ich aber klar. Warum man hier nicht mit Vollkorrektur arbeitet, weiß ich nicht. Vielleicht hat jemand eine Erklärung? 

Bild des Benutzers Meindl Hans Jörg
Verbunden: 23. April 2017 - 14:03

Hallo Björn,

bei der MKH geht man davon aus, daß Hetherophorien (Winkelfehlsichtigkeit) latente Ruhestellungsfehler sind, die

mit den äußeren Augenmuskeln kompensiert werden können. Es besteht also im freien Sehen keine sichtbare

Fehlstellung und beidäugiges Sehen ist vorhanden, wenn auch unter Anstrengung.

 

Eine Parese ist dagegen eine Augenmuskellähmung verbunden mit Doppelbildern. Meist wird durch eine

kompensatorische Kopfhaltung hin zum gelähmten Muskel versucht, Doppelbilder zu vermeiden.

Reicht die Schiefhaltung des Kopfes nicht aus, setzt man Prismen bzw. Prismenfolien zur Vermeidung von

Doppelbildern ein. Die geringste Prismenstärke, die im freien Raum beim Blick gerade aus beidäugiges

Einfachsehen ermöglicht wird rein empirisch festgestellt.

 

Grüße

Hans Jörg Meindl

 

 

 

 

 

 

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo Hans Jörg Meindl,

gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie ein Fachkollege aus der Augenoptik/Optometrie sind.

Ich wollte mich nicht in Ihre Unterhaltung einschalten, da ich mich sehr freue, wenn ich Fragen in diesem Forum nicht mehr so alleine beantworten muss. Deshalb herzlichen Dank für Ihre wertvolle Unterstützung.

Zu der gestrigen Aussage möchte ich aber doch zwei ergänzende Anmerkungen einbringen, die mir persönlich sehr wichtig sind.

1) In der Betrachtung von Paresen ist es unbedingt wichtig, zwischen einer "alten" und einer "frisch entstandenen" Parese zu unterscheiden. Bei einer sogenannten "alten" Parese muss ich nur(?!) auf alle Sonderverschaltungen in der Sehverarbeitung bei Strabismen gefasst sein. Mikrostrabismus, u.a. Überlagerungen im Prozess einer möglichst doppelbildfreien Sehsituation, wozu immer auch Kopf- und Blickauslenkungen gehören. Da diese ihrerseits massive Auswirkungen auf die Durchblutung, die Lympfbahnen u.a. zum Gehirn haben, neben Verspannungen im Schulter-, Nackensystem, dürfen sie bei einer prismatischen Korrektion nicht vernachlässigt werden. Hier arbeite ich immer mit den Messfeldern der MKH-Teste. Zusätzlich nutze ich die Coverteste in den erforderlichen Sehbereichen, grundsätzlich in Ferne und Nähe, ergänzt um wichtige Arbeitsbereiche. Die Bewertung der Coverteste mit Prismenausgleich (bevorzugt: inzwischen über Einzelprismenblöcke) bildet anfangs die Entscheidung über den Einstieg(!) in die MKH-Messung nach dem späro- zylindrischen Werteabgleich. Da ich meine MKH-Messung immer direkt aus der einäugigen Fixierung  des refraktiven Bereichs heraus starten will, muss ich die Coverteste schon zu Beginn der Messungen über die Altbrille oder ohne Korrektion (sc) durchführen. Die MKH-Messung beginne ich bei abweichenden Cover Exo-Werten (niedrigeren Eso-Werten) zunächst über den Nahpolatest, um der möglichen Exo-Falle zu entgehen. Diese ist möglich auch beim Microstrabismus oft nach voroperierten Strabismen. Zweites "Covern"  am Abschluss mit Restprismenausgleich und zum Schluss der notwendigen Endentscheidung einer Gewichtung des Vergabeprismas bzw. der Vergabeprismen der anzufertigenden Brillenlösung für die unterschiedlichen Sehbereiche.

2) Bei einer "frischen" Parese (z.Bs. nach Unfall, einem abgeklärten, evtl. operierten raumgreifenden Prozess,(Tumor, Blutung, Entzündlichen Prozessen),  frischen Lähmungen, sollte man wissen und unbedingt beachten, dass man über die Massnahmen durch die hervorragenden MKH-Teste beim Kreuz- und Hakentest (deren Vorteil es ist, die Sensorik in der Sehverarbeitung zu erkennen und mit bewerten zu können, was mir immer eine sehr hohe Sicherheit gab, Korrektionswerte zu ermitteln). Im Anschluss muss hier aber auf den Prismenwert abgeschwächt werden, der im jeweiligen Blickfeldbereich unter der Priorität der Hauptblickrichtungen(!)  ein doppelbildfreies Sehfeld zulässt und ergibt; Dies geschieht natürlich dann auch noch ohne Polfilter-Trennung im freien Sehen. Ganz wichtig, getrennt für die Fern- und Nahsicht, evtl. zusätzlich ergänzt um eine Arbeitsentfernung (z.Bs. PC-Bereich) bei Alterssichtigkeit incl. Add. Dies muss unbedingt beachtet werden, da eine gute Rückbildungsoption der frischen Parese erhalten bleiben soll. Oft gibt es schon nach wenigen Tagen Optimierungsfortschritte in der Erweiterung der doppelbildfreien Sehzonen in den kritischen Richtungen etc.) Kontrollen müssen unbedingt erfassen, ob das Prisma evtl. sogar wieder weiter abgeschwächt werden kann.

Hier ist noch wichtig zu wissen, wie man Prismen verteilt!

Nach der MKH gehören Korrektionen immer aufgeteilt oder auf das Führungsauge (z.B. als Prismenfolie / Im Standartfall soll das im Visus eingeschränktere Auge bevorzugt sein, was hier auch gut ist). Die Augenheilkunde geht hier kontroverse vor. Recht hat sie jedenfalls bei Störungen, wie frischen Paresen und bei neurologischen Sonderfällen. Hier erfolgt die Versorgung deshalb "nach Arztanweisung (Verordnung)".

Auch der augenoptische Versorger muß das beherzigen: Der überwiegende Korrektionsanteil gehört in diesen Spezialfällen grundsätzlich auf das betroffene Auge. Dies Auge hat höhere Unsauberkeiten in der Fixation. Den Gesamtseherfolg belaste ich mittels Prismenfolie beidäugig so eindeutig geringer. Zudem kann das Ausgleichsprisma auf dem besser fixierenden Auge im Messwert anders (sogar niedriger) ausfallen, was aber in diesem Fall bei der Korrektion ein Fehler wäre. Deshalb ist es nicht egal, wo und wie man hier korrigiert. Die Prismenfolie gehört hier jedenfalls immer auf das paretische Auge. Erfahrene Anwender teilen hier auch die prismatischen Wirkungskomponenten in den Brillen(-linsen) bewusst ungleich auf.

Viele Grüße:

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Heute bekam ich persönlich noch eine medizinische Stellungnahme aus der Augenheilkunde. Ich füge sie hier gerne ein.

Falsch! Die Prismenfolie kommt immer vor das paretische Auge!
Begründung: Der Schielwinkel ist inkommitant. Der Schielwinkel des paretischen Auges ist größer als vor dem nichtparetischen Auge. Die Folie verschlechtert den Visus. Das paretische Auge ist in der Beweglichkeit eingeschränkt. Es wird daher zum Sehen nicht voll genutzt. Die Folie vor dem paretischen Auge beeinflusst daher das Binokularsehen nicht so dramatisch wie umgekehrt. Die Akzeptanz ist deutlich besser.
Bei einer Trochlearisparese sind / ist der Schielwinkel in Ferne und Nähe  unterschiedlich, deswegen bedarf es auch zweier Prismenfolien auf dem Brillenglas.
Die untere Folie wird auf der Höhe unterhalb des Pupillenrandes auf dem Brillenglas fixiert. Die Fernfolie darüber. Wie bei einem Exekutivglas.

Herr Meindl hat das leider nicht richtig geschrieben.

Viele Grüße:

Paul-Gerhard Mosch (PGM)