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Verbunden: 22. August 2011 - 21:39
Akkomodativer Strabismus

Hallo zusammen,

ich war heute mit meinem Sohn, 6 Jahre alt, beim Augenarzt und wir haben völlig unerwartet die Diagnose Akkomodativer Strabismus und die Verordnung einer Bifokalbrille bekommen.

Bereits als Baby hat es bei meinem Sohn so ausgesehen, als würde er leicht schielen und wir sind manchmal darauf angesprochen worden. Daher waren wir früh beim Augenarzt, der jedoch gesagt hat, es handele sich um einen optischen Fehleindruck augrund einer sehr breiten Nasenwurzel, das Kind schiele nicht. Ein anderer Augenarzt hat das bestätigt,woraufhin wir beruhigt waren und diese Aussage so akzeptiert haben. Dennoch waren wir alle ein bis zwei Jahre dort zur Kontrolle, da beide Eltern kurzsichtig sind (ich selbst recht stark und hatte auch seit der 2. Klasse). Ein Schielen wurde jedesmal wieder ausgeschlossen.

Bei einem Gespräch in der Schule anlässlich der Einschulung wurden wir erneut angesprochen, es sehe so aus, als würde er schielen, wir sollen das doch bitte abklären lassen. Leicht genervt habe ich erklärt, das sieht bloß so aus, aber da die letzte Kontrolluntersuchung schon 18 Monate her war, habe ich trotzdem einen Termin gemacht. Tja, und auf einmal sagt die Ärztin, er schielt tatsächlich im Nahbereich, ein Auge geht nach innen weg (aber mal das eine, mal das andere). Die Sehstärke ist aber auf beiden Seiten bei 100 % und er kann auch dreidimensional sehen.

Sie hat als Therapie eine Bifokalbrille verordnet mit +3 im Nahbereich und +0.5 für die Ferne. Sie hofft, dass durch das Tragen der Brille das Schielen irgendwann verschwindet.

Ich bin total verwirrt. Wo kommt das plötzlich her? Und geht das wirklich durch das Tragen der Brille wieder weg? Was genau ist denn das Problem und wieso kann es durch die Brille wieder weggehen? 

Ist das wirklich jetzt erst entstanden oder haben die Ärzte (beide!?) doch bei den vorherigen Untersuchungen etwas übersehen? 

Muss ich mir Vorwürfe machen, dass ich nicht noch regelmäßiger zur Untersuchung gegangen bin? Hätte ich besser hinsehen müssen? Ich meine, natürlich habe ich gesehen, dass er manchmal geschielt hat, aber seit er ein Baby ist, sagen mir die Ärzte, das sieht halt bei ihm so aus, aber mit den Augen ist alles in Ordnung... Nur dass es eben jetzt doch nicht so ist.

Ich wäre dankbar, wenn mir jemand das Problem ein bisschen verständlicher erklären könnte - in dem Themengebiet wimmelt es ja nur so von lateinischen Fachausdrücken. Und eine Bestätigung, dass die Bifokalbrille die geeignete Therapie ist und das Schielen davon hoffentlich wieder weggeht, würde mich auch sehr beruhigen.

Vielen Dank im Voraus!

Moni

PS: Bei Wikipedia wird zwischen reinakkomodativem und teilakkomodativem Strabismus unterschieden, wobei bei letzterem die Rede davon ist, dass nur selten eine vollständige Heilung erreicht werden kann. Und verstehe ich es richtig, dass man bei der reinakkomodativen Form davon ausgehen kann, dass die Weitsichtigkeit nur einen Mikrostabismus verstärkt statt selbst die Ursache zu sein? Das hieße doch, dass die Ärzte das Schielen vorher übersehen haben, oder?

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masuku (nicht überprüft)

Liebe Moni,

ich bin selbst so ein Fall: Bifokalbrille ist genau richtig.

Es kann schon sein, dass andere Ärzte das Schielen vorher übersehen haben, weil es sich in dieser Form nur sehr schwer feststellen lässt (die Augen wandern und der Augenarzt und/oder möglicherweise Orthopist muss das bemerken).

Dreidimensional Sehen ist übrigens prima. Dann hat dein Sohn keine Doppelbilder. Glückwunsch!

 “Sie hat als Therapie eine Bifokalbrille verordnet mit +3 im Nahbereich und +0.5 für die Ferne. Sie hofft, dass durch das Tragen der Brille das Schielen irgendwann verschwindet.”
Klingt gut. Bitte unbedingt regelmäßig zur Kontrolle gehen (zB alle 6 Monate). Ich selbst bin über 40 und gehe alle 6 Monate in die Augenklinik, um zu prüfen ob die Brille noch stimmt.

Eine medizinische Analyse kann ich dir nicht geben. Wohl aber kann ich dir sagen, dass dein Sohn sehr gut wissen wird, ob die Brille für ihn richtig ist oder nicht. Das werdet ihr zusammen bestimmt gut rauskriegen können.

“...wieso kann es durch die Brille wieder weggehen?“
Weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass das so ist – aus eigener Anschauung. Wink

“Muss ich mir Vorwürfe machen, dass ich nicht noch regelmäßiger zur Untersuchung gegangen bin?...”
Nein.

Liebe Grüße,
Masuku

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Verbunden: 22. August 2011 - 21:39

Lieber Masuku,

vielen Dank für Deine Antwort! Sie beruhigt mich ein bisschen. Ich hatte schon überlegt, nochmal bei einem anderen Arzt eine zweite Meinung einzuholen. Allerdings dauert es dann wieder alles so lange und ich möchte gern, dass mein Sohn so schnell wie möglich die Brille bekommt, wenn er sie braucht. Er hat jetzt die dritte Woche Schule hinter sich und tut sich sehr schwer mit dem Schreiben der Buchstaben, während er alle anderen Übungen problemlos meistert. Ich hoffe, dass ihm die Brille dabei helfen wird, besser klarzukommen.

War es für Dich sehr schwer, Dich an die Brille zu gewöhnen? So eine Gleitsichtbrille ist ja eine ganz große Umstellung, oder? Gerade, wenn die Trennlinie bei Kindern besonders hoch angesetzt wird. Und würdest Du sagen, man setzt die Brille beim Sport besser ab? Ich kann mir nicht so richtig vorstellen, wie man mit so einer Brille Fussball spielt.

Ist bei Dir "nur" das Schielen weggegangen oder brauchtest Du irgendwann gar keine Brille mehr?

Wir sollen sogar vierteljährlich zur Kontrolle und Du kannst Dir sicher sein, dass ich das gewissenhaft einhalten werde...

Liebe Grüße

Moni

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Liebe Moni,

"vielen Dank für Deine Antwort! Sie beruhigt mich ein bisschen. " - Fein!

"Ich hatte schon überlegt, nochmal bei einem anderen Arzt eine zweite Meinung einzuholen." - Hm, man kann auch zuviel des Guten tun. Versuch ein gutes Gleichgewicht zu finden.

Dein Sohn brauch jetzt schnell eine Bifokalbrille, die möglichst GENAU auszentriert sein muss. D.h. der Optiker/die Optikerin muss die Gläser gut auf den Pupillenabstand zentrieren. Das wird mit einem kleinen Handgerät gemacht, dass deinem Sohn vor die Augen gehalten wird, darin sieht er EIN Licht. Wenn er ZWEI Lichter sieht: nochmal messen. Gemessen wird einmal für die Nähe und einmal für die Ferne. - Es gibt auch Hochtechnologieapparate, bei denen man sich auf Entfernung vor die Apparatur stellt und der PC berechnet einen Wert. Meine Erfahrung: ZU UNGENAU. X-)

"Allerdings dauert es dann wieder alles so lange und ich möchte gern, dass mein Sohn so schnell wie möglich die Brille bekommt, wenn er sie braucht."
Ganz genau. Ihr werdet ja eh sehr engmaschig kontrollieren. Alle 3 Monate klingt super.

"Er hat jetzt die dritte Woche Schule hinter sich und tut sich sehr schwer mit dem Schreiben der Buchstaben, während er alle anderen Übungen problemlos meistert. Ich hoffe, dass ihm die Brille dabei helfen wird, besser klarzukommen."
Oh ja. Stell dir vor, dein Sohn macht z.Zt. Augenakrobatik. Mit der richtigen Brille wird er sich viel wohler fühlen. sich besser konzentrieren können, viel entspannter sein.

"War es für Dich sehr schwer, Dich an die Brille zu gewöhnen?" - Bifokal ist ÜBERHAUPT KEIN Problem! Ich habe meine erste Brille mit 4 Jahren getragen. Glaub mir, Kinder sind da ganz flexibel, viel flexibler als wir Erwachsenen. Die machen nämlich einfach das Beste aus dem, was sie vorfinden und fragen nicht soviel. Sie signalisieren aber auch, wenn etwas nicht stimmt. Das werdet Ihr zwei bestimmt gut miteinander herausfinden. Vertrau auf dich und auf deinen Sohn. Smile

"So eine Gleitsichtbrille ist ja eine ganz große Umstellung, oder?" - Hmhm, ja, aber ich bin ja auch über 40. Ähem. Bei mir ist als die Alterssichtigkeit hinzugekommen. Das war dann in meinem Fall etwas kompliziert, weil nie eine richtige Seh-Lösung produziert wurde, als ich jünger war. Trifft auf deinen Sohn alles nicht zu. Er ist ja nicht alterssichtig, nehme ich an? - Das kann die Augenärztin/die Orthoptistin aber alle 3 Monate mituntersuchen. (Zur Erklärung: Alterssichtigkeit gibt es auch bei Kindern.)

"Gerade, wenn die Trennlinie bei Kindern besonders hoch angesetzt wird." - Nö, meine Trennlinien waren immer so hoch, dass meine Optiker staunten. Kein Problem.

"Und würdest Du sagen, man setzt die Brille beim Sport besser ab?" - Himmel, nein!  Was ihr überlegen könnt, ist eine (bifokale) Sportbrille, die ist auch zum Lesen im Bett nett, damit kann man nämlich mit einschlafen, ohne dass das Gestell verbiegt. Für Kinder gibt es sehr schöne Flexibrillengestelle. Ich hätte auch gern eins, aber für meine Größe bin ich noch nicht fündig geworden. Soll ja auch aussehen und kein Vermögen kosten...

"Ich kann mir nicht so richtig vorstellen, wie man mit so einer Brille Fussball spielt." Och, die Gläser sind heute leicht. und sehr stabil. Das Sportbrillengestell muss halt auch sehr flexibel und stabil sein. Eine Zweitbrille wäre bestimmt eine Empfehlung, falls der Fussball mal Richtung Brille flutscht.

"Ist bei Dir "nur" das Schielen weggegangen oder brauchtest Du irgendwann gar keine Brille mehr?" - Ich brauche immer ein Brille. Das Ding mit dem akkomodativen Strabismus / akkomodativen Konvergenzexzess ist, dass nicht alle Ärzte/Optiker ihn erkennen, vor allem, wenn der Schielwinkel klein ist. Ich habe darum über mehrere Jahre falsche Brillen getragen, dass hat meinen Schielwinkel destabilisiert, wurde aber so toll operiert, dass ich nun besser sehe als davor. Glück gehabt.

Also: Einmal Schieler - Immer Schieler. Ist aber überhaupt kein Beinbruch. Bitte nur LEBENSLANG (betrifft deinen Sohn im Erwachsenenalter) im Kopf behalten und immer drauf hinweisen: Hier liegt akkomodativer Strabismus / akkomodativer Konvergenzexzess vor. Dann kann dein Sohn alles ganz normal mitmachen.

"Wir sollen sogar vierteljährlich zur Kontrolle und Du kannst Dir sicher sein, dass ich das gewissenhaft einhalten werde..."
Prima! Viel Erfolg, viel Spaß beim Lesen/Schreiben und Fußballspiele und ganz herzliche Grüße!

Masuku

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Verbunden: 22. August 2011 - 21:39

Lieber Masuku,

ich bin Dir unendlich dankbar für Deine ausführlichen Antworten!

Wir waren heute beim Optiker und haben ein tolles Brillengestell ausgesucht. Allerdings hat die Ärztin handgeschliffene Exekutivgläser verordnet und der Optiker meint, das stellt keiner seiner Lieferanten mehr her, weil die Nachfrage so gering ist. Er hat vorgeschlagen, Gläser mit Segmentnahteil zu verwenden (da hat dann das Glas den Wert für die Ferne und innen drin ist ein Einsatz, der den Wert für die Nähe hat). Da die Kinderbrille recht klein ist, kann man genau so einen Ausschnitt aus dem Glas verwenden, dass der untere Teil komplett den Wert für die Nähe hat, ohne Rand, und damit im Prinzip das gleiche Ergebnis erzielt wie bei einem zweigeteilten Exekutivglas. So hat er mir es zumindest erklärt. Kannst Du dazu irgendetwas sagen? Die Trennlinie soll bei diesen Gläsern auch optisch weniger auffällig sein und deutlich billiger ist es wohl auch.

Was dieses genaue Auszentrieren betrifft... macht das der Optiker, bevor er die Gläser bestellt, oder wenn sie da sind? Davon hat er nämlich noch gar nichts gesagt Sad

Da bin ich wieder bei meinem Grundproblem: Schon habe ich wieder die Befürchtung, dass der Optiker keine Ahnung hat und ich besser woanders hingehen sollte... Ich hasse es, dass man in so einer Situation den "Experten" so völlig ausgeliefert ist.

Also, beim Sport ging es mir weniger um die Bruchgefahr (obwohl die natürlich auch ein Thema ist), sondern ich stelle mir vor, dass man ja nur durch den oberen Teil der Brille in der Ferne gut sehen kann und entsprechend dafür den Kopf ein Stück senken muss, um durch den richtigen Teil des Glases zu schauen. Das ist doch beim Sport total hinderlich, oder nicht? Ich würde meinen, da muss man rundum gut sehen können. Da dachte ich, ohne Brille geht vielleicht besser, weil da kein Nahteil die Sicht behindert und es spielt sich beim Fussball ja ohnehin alles in der "Ferne" ab...

Herzliche Grüße
Moni

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Liebe Moni,

Hier meine Antworten:

"Wir waren heute beim Optiker und haben ein tolles Brillengestell ausgesucht." - Ok. Habt ihr darauf geachtet, dass das Brillengestell Brillengläser fasst, die groß genug sind für bifokal? -> Es geht dabei ganz praktisch um das Sichtfeld in der Nähe. Dein Sohn sollte weder unter durch noch oben drüber schauen. Runde Gestelle sind z.B. gut: Mut zur Brille!

"Allerdings hat die Ärztin handgeschliffene Exekutivgläser verordnet"
Deine Augenärztin ist gut! - Ist wirklich das Beste, meiner Erfahrung nach.

 "und der Optiker meint, das stellt keiner seiner Lieferanten mehr her, weil die Nachfrage so gering ist. "
Dann soll sich dein Optiker bitte umhorchen. Ich hab meine letzten Exekutivgläser voriges Jahr anfertigen lassen. Sind nicht leicht zu kriegen, aber es geht.

"Er hat vorgeschlagen, Gläser mit Segmentnahteil zu verwenden (da hat dann das Glas den Wert für die Ferne und innen drin ist ein Einsatz, der den Wert für die Nähe hat)."
Hm. Ich denke dein Sohn braucht mit seinem akkomodativen Strabismus die Nähewerte über die ganze Brillenbreite. Genau das bietet Exekutiv-Glas.

"Da die Kinderbrille recht klein ist, kann man genau so einen Ausschnitt aus dem Glas verwenden, dass der untere Teil komplett den Wert für die Nähe hat, ohne Rand, und damit im Prinzip das gleiche Ergebnis erzielt wie bei einem zweigeteilten Exekutivglas."
Aha.
" So hat er mir es zumindest erklärt. Kannst Du dazu irgendetwas sagen?"
Nein. Halte im Zweifel bitte nochmal Rücksprache mit deiner Augenärztin. Wie gesagt, ihr Rezept gefällt mir.

"Die Trennlinie soll bei diesen Gläsern auch optisch weniger auffällig sein und deutlich billiger ist es wohl auch."
Die Trennlinie bei Exekutivgläsern STÖRT NICHT. Ok, es kommt vor, dass Erwachsene nur noch auf den Trennstrich starren, dein Sohn wird damit aber höchstwahrscheinlich prima klar kommen.

"Was dieses genaue Auszentrieren betrifft... macht das der Optiker, bevor er die Gläser bestellt, oder wenn sie da sind?"
Das wird gemacht, wenn die Gläser bestellt werden. Meine Optikerin arbeitet bei mir oberpinselig, und misst auch nochmal wenn die Gläser da sind. Außerdem misst sie jedesmal erneut, wenn ich neue Gläser brauche. Ist wirklich nur eine Handlung von 1-2 Minuten...

"Davon hat er nämlich noch gar nichts gesagt."
Bitte habe keine Hemmungen zu fragen. Auch Fragen beantworten gehört für deinen Optiker zum Job.

"Da bin ich wieder bei meinem Grundproblem: Schon habe ich wieder die Befürchtung, dass der Optiker keine Ahnung hat und ich besser woanders hingehen sollte... Ich hasse es, dass man in so einer Situation den "Experten" so völlig ausgeliefert ist."
Kenn ich. Frag doch mal bei deiner Augenärztin nach, wenn du verunsichert bist. Sie wird dir möglicherweise einen Tipp für eine zuverlässigen Optiker geben können.

"Also, beim Sport ging es mir weniger um die Bruchgefahr (obwohl die natürlich auch ein Thema ist), sondern ich stelle mir vor, dass man ja nur durch den oberen Teil der Brille in der Ferne gut sehen kann und entsprechend dafür den Kopf ein Stück senken muss, um durch den richtigen Teil des Glases zu schauen. Das ist doch beim Sport total hinderlich, oder nicht?"
Nö. Lass dich mal überraschen, was dein Sohn mit der Brille alles machen kann. Lass ihn bitte ausprobieren und lass ihn die Brille möglichst immer tragen. (Wenn er sie andauernd absetzen will, stimmt was nicht mit der Brille, dann bitte zur Augenärztin gehen...)

"Ich würde meinen, da muss man rundum gut sehen können. Da dachte ich, ohne Brille geht vielleicht besser, weil da kein Nahteil die Sicht behindert und es spielt sich beim Fussball ja ohnehin alles in der "Ferne" ab..."
Tja, eben nicht, denn der Fussball kommt auf mich zuuuu --- Kopfball ---- Tooor! Wink
-> Ballsport mit Körpereinsatz ist ein Wechselspiel zwischen Nah- und Fernsicht.
Bifokal ist gut.

GHG, Masuku

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Verbunden: 22. August 2011 - 21:39

Lieber Masuku,

ich bin mal wieder auf Deine tolle Unterstützung und Deine Erfahrung angewiesen.

Mein Sohn hat seit Samstag seine Brille. Abgesehen davon, dass er total unglücklich deswegen ist, trägt er sie eigentlich durchgängig ohne allzu großen Widerstand. Ich bin sehr froh, dass es genau zum Anfang der Ferien geklappt hat, so dass er sich erstmal selbst daran gewöhnen kann. Er hat sehr große Angst davor, wie seine Mitschüler reagieren werden.

Das eigentliche Problem ist allerdings, dass er durch das Nahteil total unscharf sieht. Er sagt, er kann da durch kaum etwas erkennen. Wenn er nun etwas in der Nähe betrachten möchte, senkt er den Kopf so weit, dass er durch den oberen Teil der Brille sehen kann. Das sieht natürlich extrem bescheuert aus und kann auch nicht gesund für den Nacken sein. Selbst beim Abendessen sitzt er da mit dem Kinn auf der Brust, wenn er seinen Teller betrachtet. Wenn ich ihm sage, er soll doch versuchen, durch den unteren Teil zu schauen, antwortet er "Dann seh ich aber nichts". Kann das normal sein?!?

Natürlich habe ich sofort einen Termin bei der Orthoptistin gemacht - nächsten Montag. Sie meinte, eine Bifokalbrille wäre eben eine große Umstellung und es dauert eine Weile, bis er sich daran gewöhnt hat. Aber ich wüsste gern, ob es bei Dir auch so krasse Gewöhnungsprobleme gab. Falls das normal ist - wie lange dauert der Gewöhnungsprozess? Ich kann ihn so unmöglich in die Schule schicken. Wie soll er schreiben, während er sich fast den Hals verrenkt?

Hilflose Grüße

Moni

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masuku (nicht überprüft)

Liebe Moni,

ich bin nicht so regelmäßig im Forum und hab grad eben zufällig deine Frage gesehen. Hier mein Antwortversuch:
"Mein Sohn hat seit Samstag seine Brille." - Prima! 
"Abgesehen davon, dass er total unglücklich deswegen ist, trägt er sie eigentlich durchgängig ohne allzu großen Widerstand."  - Verstehe ich richtig? Die Brillenstärken an sich sind möglicherweise nicht das Problem, sondern mehr die neue Art des Sehens?
"Ich bin sehr froh, dass es genau zum Anfang der Ferien geklappt hat, so dass er sich erstmal selbst daran gewöhnen kann." - Das ist ein sehr pfiffigesTiming!
"Er hat sehr große Angst davor, wie seine Mitschüler reagieren werden." Klar, ist ja was ganz Neues für ihn   u n d   für die anderen...
"Natürlich habe ich sofort einen Termin bei der Orthoptistin gemacht - nächsten Montag. Sie meinte, eine Bifokalbrille wäre eben eine große Umstellung und es dauert eine Weile, bis er sich daran gewöhnt hat. Aber ich wüsste gern, ob es bei Dir auch so krasse Gewöhnungsprobleme gab. Falls das normal ist - wie lange dauert der Gewöhnungsprozess?" - Bei mir habe ich keine deutlichen Erinnerungen an meine erste Brille (ich war 4), aber was ich immer wieder erlebt habe ist, dass ich mit einer neuen Brille alles um mich herum auf eine ganz neue Art und Weise wahrnehme, weil sich mein Sehen verändert. Da ich mich mit und durch das neue Bild bewege, ist das manchmal auch ermüdend. Ich könnte mir vorstellen, dass zB diese Umstellungsanstrengungen nun bei deinem Sohn auch zutreffen: Also möglicherweise (ich bin nur Patient!) ist dein Sohn jetzt damit beschäftigt, diese neue Art des Sehens zu erfahren. Und das ist unglaublich intensiv. Ich vermute zB, das er umlernen muss, um "entspannt" Sehen zu lernen (bei akkomodativem Strabismus tut man meiner Erfahrung nach genau das NICHT, ich war ist die ganze Zeit damit beschäftigt,die Augen richtig "hinzurücken"). Dass dein Sohn den Leseteil nicht benutzen kann/mag/will, kann ich nicht beurteilen. Bitte bei der Orthoptistin prüfen lassen. Ihr habt je einen Termin. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass das vorübergeht.
Die Eingewöhnung an eine neue Brille kann meiner Erfahrung nach manchmal etwas dauern. Meistens ist es ab Tag 3 schon ganz passabel. Für meine aktuelle Gleitsichtbrille habe ich zB 3 Wochen Eingewöhnungszeit benötigt, bevor ich mich damit normal bewegen konnte, bis ich alles damit tun konnte (auch "kompliziertere" Sehaufgaben) hab ich länger gebrauch, vielleich 1-2 Monate (ich hab versucht nicht drauf zu achten, damit es schneller geht).
Bei einer normalen Bifokalbrille würde ich erwarten, dass das Eingewöhnen schneller geht. Hm. Wie gesagt, besser die Orthoptistin/Augenärztin fragen und beobachten.

"Ich kann ihn so unmöglich in die Schule schicken. Wie soll er schreiben, während er sich fast den Hals verrenkt?"
Ach, vielleicht würde ihn das auch vom neuen Sehen ablenken? Echt wahr, ich war als Erwachsener eine zeitlang mit beweglichen Doppelbildern krank daheim, hat mich kirre gemacht. Dann hatte ich meine erste Schiel-OP und ich hatte statische Doppelbilder. War schon besser, aber solange ich zuhause war, hab ich über meine Doppelbilder gegrübelt. Dann hab ich (mit Interimprismenbrille als Vorbereitung auf meine 2. OP) wieder angefangen zu arbeiten (immer noch mit Doppelbildern) und hab dabei meine Doppelbilder vergessen können. Und war der Ablenkung sei dank langsam wieder entspannter. (Dh ich hab zB auch meinen Hals weniger verrenkt.).

Ob das nun bei deinem Sohn so ähnlich ist, wage ich nicht zu vermuten. Es ist nur ein Beispiel, wie es auch sein kann.

Ich drücke euch beiden feste alle Daumen.

LG, Masuku

Bild des Benutzers Kerstin Harms
Verbunden: 10. April 2002 - 0:00

Hallo Moni,

wenn Dein Sohn den Nahteil der Brille für's Nah-Sehen nicht mag und lieber durch den oberen Teil der Brille schaut, dann ist der Nahteil der Brille m. E. zu stark. Ich würde mir noch eine zweite Meinung einholen und versuchen, ob es nicht mit einer reinen Fernbrille auch getan ist. Das Plus allein wirkt schon dem Schielen entgegen. Vielleicht braucht er auch nur die + 0,5 für Nah und Fern.Eventuell hilft auch prismatische Korrektion. Wenn der Visus auf beiden Augen gleich ist (ist er das wirklich? Befunde aushändigen lassen!), ist keine Okklusion erforderlich.

Viele Grüße

Kerstin

Egal was du tust, tu es mit Leidenschaft und Hingabe!

Bild des Benutzers MoniM
Verbunden: 22. August 2011 - 21:39

Hallo zusammen,

danke erstmal, Masuku, für Deine wieder sehr ausführliche Antwort.

Mein Mann war mit unserem Sohn bei der Orthoptistin, weil ich dienstlich unterwegs war. Sie konnte ihm überzeugend vorführen, dass das Schielen weggeht, wenn er durch den unteren teil schaut, aber sofort wieder da ist, wenn er den oberen Teil (für den Nahbereich) benutzt. Sie haben sich darauf geeinigt, dass er die Brille zunächst nur zuhause trägt und wir darauf achten, dass er für den Nahbereicht nur unten durchschaut (was übrigens gar nicht so einfach ist).

Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass der Nahbereich, in dem er scharf sieht, zu klein ist. Eigentlich nur, wenn er sich etwas direkt vors Gesicht hält... Deckt sich das mit Deiner Vermutung, die Gläser im Nahbereich könnten zu stark sein, Kerstin? Ich habe auch ehrlich gesagt noch immer nicht vestanden, wo die +3.0 eigentlich herkommen. Die +0,5 wurden ja gemessen, aber die +3,0 eher willkürlich festgelegt, basierend auf Erfahrungswerten oder so.

Leider weiß ich weder, was eine prismatische Korrektion ist, noch eine Okklusion...

Auf der Verordnung stand es so drauf mit beiden Seiten +0,5. Warum sollte der Befund dann anders sein? Sorry, falls die Frage blöd ist, aber ich kenn mich leider überhaupt nicht aus. Das was gemessen wird, wird auch verordnet, dachte ich.

Viele Grüße

Moni

Bild des Benutzers Eisbär 3
Verbunden: 13. September 2009 - 9:48

Hallo Moni,

Gib die Stichwörter doch mal oben rechts in der Suchfunktion im Forum hier ein. Dann kannst Du sehr vieles über Prismen und Okklusion (Abdecken eines Auges) lesen. 

LG Eisbär

"Musik ist Arbeit, aber keine Mühsal." Sabine Mayer, Klarinettistin 

Bild des Benutzers Kerstin Harms
Verbunden: 10. April 2002 - 0:00

Hallo Moni,

Plusgläser bewirken, dass die Augen nach außen gehen - also logisch, dass Sohnemann durch den +3,0 Nahbereich geradestehende Augen hat....sieht optisch gut aus, aber: ER KANN NICHT SCHARF GUCKEN!!!!!!!!  Halte Dir doch mal eine Lupe vor die Augen, und versuche, damit auf die Ferne scharf zu sehen.....Ein Kind ist nicht dumm, Kinder machen intuitiv das Richtige. Also benutzt er den Nahteil nicht. Er kann wahrscheinlich mit +0,5 superscharf sehen. Wenn es der Orthoptistin nur darum geht, dass die Augen geradestehen, dann hat sie ihr Fach nicht verstanden. Ich kann Euch eigentich nur raten, Euch von dieser Augenarztpraxis ganz schnell zu verabschieden.

Hat Sohnemann auf beiden Augen wirklich den gleichen Visus, dann ist Okklusion (Abkleben des nicht schielenden Auges) erst mal nicht angezeigt. Die Okklusion dient zur Erhaltung und Steigerung der Sehkraft auf dem schielenden Auge.

Wenn er übersichtig ist, braucht er eine Plusbrille. Dazu muss einmal getropft werden, um das wahre Plus zu ermitteln, denn Kinder sind Meister im Akkommodieren - die drücken bis zu 10 Dioptrien weg...man verordnet aber niemals die getropften Werte in die Brille. Denn getropft ist die Akkommodation ja völlig gelähmt und das entspricht nicht den natürlichen Sehbedinungen. Man kann aber die Akkommodationsbreite ermitteln und dann wird in der Regel etwas mehr an Plus gegeben, als man unter NICHT getropften Bedingungen ermittelt hat. Ziel bei Kindern ist, eine Fernbrille anzufertigen, mit der sie nah und fern gut sehen können. Wird ein wenig mehr an Plus gegeben, um dem Schielen entgegenzuwirken, haben die Kinder anfangs etwas Probleme, in die Ferne scharf zu sehen, aber das gibt sich. In hartnäckigen Fällen kann man auch über längere Zeit Atropintropfen geben, damit die Augenmuskeln lernen, zu entspannen.

Was Euer Filius aber eventuell zusätzlich zur Plusbrille braucht, sind Prismen. Ich kann Euch nur empfehlen, eine andere Augenarztpraxis zu suchen, die sich auf Schielen bei Kindern spezialisiert hat. Dort sollte noch mal alles an Untersuchungen laufen. Zusätzlich rate auch ich, dass ihr Euch einen versierten Augenoptikermeister sucht, der sich auf MKH spezialisiert hat. In welchem PLZ-Gebiet wohnt Ihr denn? Vielleicht habe ich eine Adresse.

Viele Grüße

Kerstin

Egal was du tust, tu es mit Leidenschaft und Hingabe!

Bild des Benutzers masuku
Kugelblitz (nicht überprüft)

Hallo Moni,

einen guten AA/Orthoptistin zu finden, ist leider nicht einfach. Ich bin auch noch auf der Suche für mein Kind.

Ich würde auch eine Vorstellung in einer Uni-Klinik in Erwägung ziehen.

Dein Sohn ist ja nun schon 6 Jahre und vielleicht einigermassen kooperativ hinsichtlich der Mitarbeit bei den Untersuchungen. Daher würde ich nochmals auf die gesamte Palette der augenärztlichen und orthoptistischen  Untersuchungen bestehen.

Wie gross ist denn sein Schielwinkel?

Alles Gute

LG Kugelblitz

Bild des Benutzers MoniM
Verbunden: 22. August 2011 - 21:39

Hallo zusammen,

vielen, vielen Dank für Eure Beiträge!! Toll, dass man so viel Hilfe bekommt, wenn man unsicher ist.

Ihr werdet es kaum glauben, wie die ganze Sache sich entwickelt hat. Wir waren tatsächlich nochmal in einer anderen Praxis und siehe da - der Befund war ein völlig anderer: Mein Sohn braucht ÜBERHAUPT KEINE Brille. Er schielt wohl im extremen Nahbereich (unter 15 cm), aber im normalen Lesebereich nicht und in der Ferne ja sowieso nicht. Leicht weitsichtig ist er, aber so gering, dass in seinem Alter noch keine Brille verordnet wird, weil er das selbst ausgleichen kann. Ansonsten hat er den Pseudostrabismus, den er schon als Baby hatte - es sieht so aus, als würde er schielen, aber er sieht problemlos und dreidimensional. In der Ferne sind seine Sehtestergebnisse sogar überdurchschnittlich gut.

Da haben wir nicht schlecht gestaunt...

Weil wir uns nicht vorwerfen lassen wollten, dass wir vorschnell der angenehmeren Diagnose Glauben schenken, aber auch keine dritte Meinung einholen wollten, sind wir mit dem Befund wieder zu der ersten Praxis gegangen. Die Orthoptistin dort hat lange herumgedruckst und drumherum geredet, aber schließlich zugegeben, dass sie das Schielen auch nicht mehr feststellen kann. Sie besteht zwar darauf, dass es da war und kann sich nicht erklären, wie es so schnell weggegangen sein kann, aber so wie es jetzt aussieht, würde sie auch keine Brille verordnen. Nun gut, damit sind sich immerhin jetzt alle einig und wir die Brille wieder los. Das finanzielle konnten wir auch regeln, obwohl das nebensächlich war im Vergleich zu der Erleichterung, die Quälerei mit der unnötigen Brille beendet zu wissen. Wir haben im Februar einen Kontrolltermin bei der neuen Praxis und werden ab sofort nur noch dort hingehen.

Das muss man sich mal vorstellen! +3,0 Dioptrien überkorrigiert - kein Wunder dass der arme Junge nichts gesehen hat. Und dann die psychische Belastung,  weil er so Angst hatte, in der Schule ausgelacht zu werden, und das alles so kurz nach der Einschulung, wo eh alles neu und noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist. Eigentlich müsste man die Frau auf Schmerzensgeld verklagen... nur dass man es dadurch ja auch nicht rückgängig machen kann.

Jedenfalls nochmal vielen Dank an alle für Eure Anteilnahme und Unterstützung!

Ich hoffe, dass ich dieses Forum in Zukunft nicht mehr benötige...

LG Moni

Bild des Benutzers Kerstin Harms
Verbunden: 10. April 2002 - 0:00

Hallo Moni,

ja, Pseudoschielen gibt es (zu breiter Nasenrücken) - - wird aber auch sehr oft fälschlicherweise diagnosiziert..oft steckt doch ein latentes Schielen (Mikrostrabismus oder auch Heterophorie)  dahinter. Wurde ein cover-uncover-Test gemacht? Und wie ist denn der Visus auf beiden Augen einzeln und zusammen? Habt Ihr Euch den Befund geben lassen? Solltest Du machen, steht Dir zu. Dann hast Du das, falls später nochmal Probleme auftreten.

Ansonsten beobachtet Euren Sohn einfach und lasst ihn zunächst glücklich und ohne Brille durch die Gegend laufen. Wenn die Psyche ok ist, hat man schon 99 % der Miete.....das ist wichtiger als alles andere.

LG und einen guten Rutsch

Kerstin

Egal was du tust, tu es mit Leidenschaft und Hingabe!