Ich habe hier immer wieder Threads gesehen, in denen es um Fragen zur Schiel-Op geht. Und wollte daher hier so eine Art allgemeinen Thread hierzu erstellen, weil ich das schon hinter mich gebracht habe.
Das ist schon sehr lange her; fast 20 Jahre. Ich kann dazu nur sagen, dass es wirklich nicht schlimm ist, was man da aushalten muss. Und ich denke, dass 20 Jahre medizinischer Fortschritt sicherlich noch Verbesserungen gebracht haben. Die Profis hier werden berichten können, ob meine Annahme stimmt.
Jedenfalls kann ich zumindest diese Mitteilung machen, dass man schon vor 20 Jahren bei einer solchen Op sehr wenige Beschwerden hatte. Die meisten Menschen stellen sich unter einer Augen-Op was ganz Schreckliches vor. Das kann man für die Schiel-Op sicherlich nicht bestätigen. Es geht am Anfang vieles nicht, weil man die Augen dabei hin und her bewegt. Das tut schon leicht weh, z.B. Lesen. Was nicht geht und nicht gut tut, lässt man daher schnell von allein bleiben. Das Auge braucht halt ein paar Tage Schonung. Es sieht noch eine Weile ganz übel aus, knallerot und blutunterlaufen. Sofern keine Komplikation oder Entzündung dazu kommt, war's das.
Grund zur Panik besteht daher wegen der möglichen Beschwerden wirklich nicht. Auch für Kinder ist das nicht so schlimm. Da wird die Klink selbst und das ganze Drumherum schlimmer sein als die Op selbst.
Hinweis in eigener Sache:
Liebe Profis!
Bitte nehmt die Schiel-Kinder und Schiel-Patienten allgemein ernst!
Ich richte diesen Bitte aus eigener leidvoller Erfahrung an Sie. Ich litt von frühester Kindheit an unter Innenschielen beider Augen (Winkel: 28 Grad und 32 Grad. Macht zusammen satte 60 Grad).
Natürlich erkennt sowas jeder Augenarzt und natürlich sieht sowas jeder Laie auf der Straße. Leider haben viele Augenärzte viel versäumt, z.B. eine vernünftige Aufklärung meiner Eltern. Meinen Eltern wurde nur gesagt, dass man dies operieren könnte. Dass Schiel-Ops vor dem Schuleintritt stattfinden sollten, weil bis dahin die Sehentwicklung im Gehirn abgeschlossen wird und danach das Auttreten von Doppelbildern eben sehr wahrscheinlich nicht mehr ausbleibt, hat ihnen keiner gesagt. Bei diesem Ausmaß an Entstellung und drohender weiterer Verschlechterung, weil die Schielwinkel sogar zunahmen im Laufe der Behandlung ging jeder Arzt davon aus, dass die Eltern sich schnellstens kümmern würden.
Infolge der fehlenden Aufklärung dachten sie aber, dass sie alle Zeit der Welt hätten. Zudem leben nicht alle Kinder in heilen, netten Familien. So kam es, dass keine Op erfolgte. Als ich mit 15 aus eigenem Entschluss die Op wollte, teilte man mir lapidar mit, dass es zu spät sei, dass ich konsequent die verhasste Brille tragen müsste, weil mir die Einäugigkeit drohen würde. Das alles wurde mir übermittelt von einer Auszubildenen, (nennt man sie Orthoptistin, weiß es nicht mehr), die nicht viel älter als ich war. Kein Arzt hatte sich das in der Augenklink angeschaut.
Man entließ mich mit dem Hinweis, dass Menschen, die mich deshalb ablehnen und hänseln würden, es nicht wert seien, sich mit ihnen zu beschäftigen.
Jahre später wurde dann doch noch nachkorrigiert. Restschielwinkel blieben bestehen. Mehr ging nicht wegen der Doppelbilder, die dann entstanden wären.
Als Kind redete kein Augenarzt jemals mit mir. Immer nur mit meiner Mutter. Psychologische Betreuung oder auch nur ein einziges einfühlsames Gespräch hab' ich in diesen ganzen Jahrzehnten niemals von augenärztlicher Seite erlebt.
Mit meinem Schicksal musste ich allein klar kommen. Dicke Kinder sind wenigstens nicht allein. Ich war allein, ganz allein damit.
Frühzeitige Information hätte das verhindern können, den zumindest meine Mutter hätte sich gekümmert, wenn sie diese gehabt hätte.
Und wenn solche Geschichten schon nicht korrigiert werden können, warum auch immer, dann gebietet es eigentlich die Menschlichkeit, dass sich Ärzte um entstellte Kinder und Patienten besonders kümmern sollten. Es wird immer betont, dass Schielen nicht lediglich ein Schönheitsfehler ist. Das ist richtig. Die Funktion des Auges ist gefährdet, Blindheit droht. Aber man muss es auch anders herum sehen und darf auch diesen Aspekt nicht vergessen und unterschätzen: ES IST EIN SCHÖNHEITSFEHLER!
Und in schlimmen Fällen ist es eben eine Entstellung und eigentlich auch eine Entstellung im Gesicht, eine Behinderung im sozialen Leben, in der Kontaktaufnahme zu anderen.
Schielen ist weit mehr als eine Augenerkrankung, sondern sie kann sich auf den Menschen in seiner Gesamtheit grausam auswirken.
Gehänselt hat mich keiner, weil es so schlimm ausgesehen hat, dass selbst Kinder auch Mitleid hatten. Besonders die Schulwechsel waren immer scheußlich, der erste Schultag in einer neuen Klasse. Als Kind kann man noch drüber wegsehen.
Aber spätestens, wenn man in ein gewisses Alter kommt, die anderen den ersten Freund haben, sich schminken, dann wird aus dem Schielen bitterer Ernst, wenn's um die Berufswahl geht und man Kunden nicht zugemutet werden kann, weil man so abschreckend aussieht.
Ich hoffe, dass mein kleiner biographischer Bericht die Profis hier erreicht und ihnen klar macht, dass Schielen eine andere Dimension sein kann als nur Funktionseinbuße.
GLG von einer, die erst mit fast 30 das erste Mal durch die Gegend laufen konnte, ohne dass die Leute verstohlen hingeschaut - oder soll ich besser sagen. gegafft (?) - haben.
Was mich im Nachhinein ärgert ist die Fahrlässigkeit der Profis, die mir damals begegnet ist, und das Desinteresse an den psychischen Folgen. Kein Arzt für Brandverletzte würde seine Patienten so mit der Entstellung allein und im Stich lassen, Augenärzte dagegen sehen das absolut nicht als ihr Tätigkeitsfeld an. Das sehen ihre Patienten - glaube ich - ganz anders. Ich hab' mehr erwartet. Und wenn eins meiner Kinder heute schielen würde, der Augenarzt sich so aufführen würde wie meine damals, würde ich ihm unverblümt die Meinung geigen und wechseln. Und das mit Recht.
Viele Grüße!
Marie-Alix
Hallo Marie-Alix,
danke für diese tolle Beschreibung! Deine Schilderung aus Perspektive des betroffenen Kindes finde ich superwichtig! Ich würde diesen Beitrag gerne ins andere Forum (Binokularsehen) verschieben, weil ich weiß, dass er dann von mehr Betroffenen gelesen wird. Darf ich?
Viele Grüße
Kerstin
Egal was du tust, tu es mit Leidenschaft und Hingabe!
Hallo Kerstin!
Ja, natürlich kannst Du den Eintrag verschieben.
GLG
Marie-Alix