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Bild des Benutzers Jasmin
Verbunden: 4. Oktober 2002 - 0:00
Schielen und Kurzsichtigkeit

Hallo,
Ich bin 28 Jahre alt und trage seit 3 Jahren eine Brille wegen Kurzsichtigkeit (li. -2.50 -0.5 70, re. -3.50). Etwa seitdem
sehe ich sehr störende Doppelbilder, besonders beim Fernsehen u. am PC. Beim Blick in den Spiegel sieht man dann auch, daß das rechte Auge nach innen schielt, sobald ich mehr etwas bestimmtes fixiere. Beim Sport merke ich, daß auch das räumliche Sehen eingeschränkt ist. Außerdem habe ich schon immer das Gefühl, daß ich nur mit dem linken Auge schaue, ist das vielleicht
deshalb, weil ich schon lange auf dem rechten Auge stärker kurzsichtig bin als links und vorher nie eine Brille getragen habe.
Beim Tragen von Kontaktlinsen treten die Doppelbilder stärker auf.
Nach Untersuchung und Abkleben des rechten Auges für 3 Tage wurde beim Augenarzt ein Innenschielen des rechten Auges um 10 Grad festgestellt. Bei probeweisem Anbringen eines Prismas auf die Brille waren die
Doppelbilder völlig verschwunden und das Sehen sehr angenehm. Solche Gläser kämen aber lt. Arzt nicht im Betracht, da diese nicht tragbar wären und kein gutes Sehen durch solche dicke Gläser möglich wäre (stimmt das?).
Stattdessen wurde mir eine Operation empfohlen.
Vielleicht kann mir jemand weiterhelfen, ob eine Operation tatsächlich die einzige Möglichkeit ist und wie erfolgreich diese in einem vielleicht vergleichbaren Fall war. Über Antworten würde ich mich sehr freuen.

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo Jasmin,
ich grüße Dich. Eigentlich hast Du Dir die Antwort schon gegeben. War das Probeprisma (vermutlich eine Prismenfolie) schon so angenehm, wie Du es geschildert hast, wird die entsprechende Brille vom Sehen her, das Sehen durch eine Prismenfolie sicher übertreffen. Allerdings wird das Glas im Nasenbereich über einen cm dick werden und muss in einer gut ausgewählten Brillenfassung mit kleinen Scheiben eingebaut werden. Lass Dir auf jeden Fall ein solches Ergebnis in natura oder zu mindestens am PC vorher von einem entsprechend versierten Spezialisten zeigen. Adressen findest Du unter www.IVBV.org oder auch über Fr. Kubsch (tel. auf dieser Internet-Seite). Die Industrie kann Prismen bis etwa 20.0 Prisma pro Glas fertigen, was 40.0 Prismen Gesamtwirkung, also ca. 20° Schiel:wink:el entspricht. In Deinem Fall wäre auch das vorübergehende Tragen einer Prismen-Folie (vor dem besseren Auge) eine Möglichkeit.
Alle diese Maßnahmen können zu einer größeren Sicherheit bei einem späteren Eingriff (zwecks Höhe des zu operierenden Wertes) dienen, gerade dazu sind sie aber äußerst sinnvolle Maßnahmen. Aufgrund Deiner Vorgeschichte würde ich für eine OP das oben aufgeführte Untersuchungsergebnis allein noch nicht für ausreichend halten. Erst eine getragene Korrektion zeigt über den Zeitraum von mind. ¼ bis ½ Jahr, ob der Wert stabil ist und folglich nach einem Eingriff langzeitstabiles Zusammensehen beider Augen folgt. Ich kenne Fälle, bei denen sich ein anfänglich hoher Wert deutlich reduziert hat. Der gefundene Schiel:wink:el entsprach nur einer Ausschaltstellung und war keine echte Fehlstellung. Eine Korrektion würde dann natürlich nur vorübergehend positiv empfunden. Aber so ist noch alles drin. Übrigens, ich freue mich mit Dir, das Du solch ein positives Zeichen für Dein Sehen erhalten hast. Mach was draus.

Alles Gute!

Paul-Gerhard Mosch

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

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Verbunden: 4. Oktober 2002 - 0:00

Vielen Dank für die so schnelle und kompetente Antwort! Schon vor dem Abkleben des Auges wurden verschiedene Messungen mit
(pyramidenförmigen) Prismagläsern durchgeführt. Am Anfang betrug der Schiel:wink:el angeblich 4 oder 5 Grad nach innen. Durch ein Prismaglas waren die Doppelbilder gleich verschwunden. Dann wurde ein, wie ich den Eindruck hatte, sehr viel stärkeres Prismaglas für 15 Minuten ausprobiert, wodurch sich der Winkel angeblich auf 15 Grad erhöhen ließ. Erst dann
wurde das Abkleben durchgeführt. Ich habe aber Bedenken vor einer Operation, da ich gelesen habe, das danach möglicherweise ständige Doppelbilder auftreten könnten, was bisher nur bei bestimmten Situationen der Fall ist. Ist es möglich, das sich das Schielen durch die unterschiedliche Kurzsichtigkeit entwickelt hat, und womöglich durch nun ständiges Brilletragen wie mir von der Optometristin dringend empfohlen wurde, sich verbessert oder hat dies keinen Einfluß? Ich werde auf jeden Fall
Rat durch eine 2. Untersuchung einholen. Über
eine weitere Antwort würde ich mich sehr freuen!

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo Jasmin,

Ständige Doppelbilder nach Schiel-Op’s sind zum Glück sehr selten. Je ähnlicher Prismenbrille und Op-Wert sind, desto sicherer kann man bleibende Doppelbilder nach der OP ausschließen. Gegenüber dem Test im Prüfraum zeigt erst ein Tragezeitraum über mind. ¼ Jahr mit allen Blickbewegungen in der Dynamik des Sehens, ob die Werte langzeitstabil sind. Sicher haben die sphärischen / zylindrischen Werte einen guten Einfluss auf die Fixierung der Augen. Die richtigen Prismenwerte lassen sich sauberer einstellen, aber bei hoher Sehschärfe ist das Gesamtsystem des Sehens schnell versucht, den Restfehler im Selbstausgleich zu verstecken. Die Folgeerscheinungen führen dann bekannter weise dazu, das kontroverse über den Ausgleich von „Winkelfehlsichtigkeit“ mit Prismen diskutiert wird.

Tatsache ist jedenfalls, das Op’s bei Winkelfehlsichtigkeit so gut wie nie, zu Doppelsehen führen. Wenn wir (was fachlich nicht ganz richtig ist) Schielen als dekompensierte Winkelfehlsichtigkeit hinstellen würden, dieses Schielen über einen Zeitraum „x“ durch das Tragen einer Prismenbrille in eine „normale“ Winkelfehlsichtigkeit überführen könnten, wäre die Gefahr eines bleibenden Doppelbild-Seheindruckes weg! Gelingt diese Überführung mit Prismengläsern nicht, haben wir ein echtes Schielen und die Gefahr von Doppelbildern bleibt größer. Wird der Prismenwert zu grob vermessen, bleiben Unsicherheiten auf allen Seiten. Hier hilft meines Wissens nur ein Fachmann, der die Messmethodik nach H.-J. Haase gut kennt. Erster Ansprechpartner kann dabei auch ein sehr versierter Augenoptiker / Optometrist sein.

Toll wäre es aber, wenn Sie einen Facharzt für Augenheilkunde finden, der diese Messmethodik auch bei Schielern anwendet. In meinen Augen wäre dies im Bedarfsfall auch der richtige Operateur. Es ist gut, wenn alles in einer Hand liegen kann, dafür lohnt sich auch ein weiterer Weg und evtl. ein größerer Zeit- / Geldaufwand. Ich bin als Augenoptiker persönlich 600 km bis nach Berlin gefahren und habe mein Geschäft zwecks OP acht Tage geschlossen, um anschließend mit einem roten Auge hier wieder tätig zu sein. Ohne Vertrauen in den Operateur und diese Technik hätte ich mich damals nach sechs Monaten nicht von meiner Brille „Bifokal mit fast 30.0 Prismen“ getrennt, sondern die mir sehr gut helfende Brille noch weiter getragen.

Alles Gute,

Paul-Gerhard Mosch

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

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Verbunden: 4. Oktober 2002 - 0:00

Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!
Sie hat mir bestätigt, daß ich eine weitere
Untersuchung durchführen lassen werde, bei der der Untersuchende nach meinem Eindruck unter Zeitdruck war und ich deshalb kein richtiges Vertrauen in das Ergebnis habe.

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Noch ein Nachsatz,

unter „normaler“ Winkelfehlsichtigkeit meine ich das natürliche Bestreben des Sehsystems, den fehlenden Prismenausgleich nach dem Absetzen der Korrektion, blitzschnell durch Stellungswechsel der Augen im Selbstausgleich wieder auszugleichen. Dies kann durchaus wieder erlernt werden, wenn mit der Korrektionsbrille eine gute Zusammenarbeit des Augenpaares aufgebaut werden konnte.

Alles Gute,

Paul-Gerhard Mosch

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

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Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Noch ein Hinweis!
Scheinbare Mißerfolge nach prismatischer Korrektion oder operativer Korrektur von Heterophorien, von Dr. Uwe Wulff / Berlin.
Neues Optikerjournal 5 (1990) 20-31

Auch veröffentlicht im Heft der IVBV Nr. 1, siehe www.IVBV.org / Literatur für Fachleute.

Scheinbare Misserfolge „Doppelbilder“ können sehr wohl bei richtiger Vor- und Nachbehandlung, ein letztlich unproblematischer sensorischer Sonderfall in der Anpassungsphase nach OP sein. Wichtig bleiben halt nur die richtigen Fachleute an der richtigen Stelle und zur rechten Zeit!

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

Bild des Benutzers Jasmin
Verbunden: 4. Oktober 2002 - 0:00

nochmal vielen Dank für die zahlreichen Hinweise, Herr Mosch! Habe ich richtig verstanden, daß also durch das Tragen einer Prosmabrille nicht unbedingt die Fehlstellung größer werden muß, sondern sich
auch verbessern. Dann müßte es doch auf jeden Fall einen Versuch wert sein, dies etwas länger auszuprobieren. ist unter "Korrektionsbrille" die ganz normale Brille ohne Prisma zu verstehen, die nur die Kurzsichtigkeit ausgleicht?

Bild des Benutzers Paul-Gerhard Mosch
Verbunden: 26. Juli 2002 - 0:00

Hallo Jasmin,

auch Dir gebe ich gerne noch Antwort. Du hast sicher auch andere Forumbeiträge gelesen. Ich finde das Forum zur Zeit sehr gut und würde liebend gerne mehr Zeit in die gestellten Fragen investieren, aber es geht leider nicht. Es gibt aber etliche, die mit kurzen prägnanten Worten, hilfreiches noch besser ausdrücken können.

Die Fehlstellung der Augen wird NIE größer, wie sie ursprünglich einmal war! Je versteckter (Fehlstellung = Bildlagefehler) jedoch sind, desto mehr Erfahrung braucht es, diese Bildlagefehler in beiden Augen aufzudecken und einer Korrektion zuzuführen. Dies kann über mehrere Glaswechsel erfolgen.

Es ist eine Lüge, die verbreitet wird, das man mit MKH immer stärkere Werte erzeugt, diese quasi züchtet, um Korrektionen und Operationen, letztlich um ihrer selbst willen, zu messen und zu korrigieren.

Dies würden die Augenmuskeln niemals lange mitmachen. Nur umgekehrt ergibt sich ein Sinn. Mit jeder „guten Korrektion“ werden vorhandene Bildlagefehler reduziert, diese reduzieren Beschwerdebilder und bessern Sehen nachhaltig.

Ich wünsche Dir alles Gute!

Viele Grüsse

Paul-Gerhard Mosch (PGM)

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Verbunden: 4. Oktober 2002 - 0:00

Danke!